Die Villa Ottomar Klinger ist eine Villa in Neustadt an der Tafelfichte. Die Villa gehörte zusammen mit der Villa Oskar Klinger (1873–1874) und der Villa Willi Klinger (1903–1904) zu einem Gesamt-komplex von drei Villen der Familie Klinger, der durch einen von Hugo Eck aus Dresden großzügig und weitläufig gestalteten Park verbunden war.
Geschichte
Im 18. Jahrhundert betrieb Johann Georg Klinger (1708–1764) in Niederehrenberg ein Webereige-schäft. Später entwickelten aus diesen Wurzeln hauptsächlich Ignaz, Ottomar und Oskar von Klinger sowie Willi Klinger um 1900 zur Blütezeit von Neustadt an der Tafelfichte Textilfabriken in Böhmen. Ignaz Klinger erlernte bei seinem Vater die Leinenweberei. Um 1835 leitete er in Friedland einen Zweigbetrieb der Neustadtler Webefaktorei C. E. Blumrich. Als dieser aufgelöst wurde, ermutigten Garnhändler Klinger, sich selbständig zu machen und boten ihm Kredite an. 1839 gründete dieser in Neustadt an der Tafelfichte (Neustadtl) eine eigene Firma, die zunächst Handel trieb und dann mit der Erzeugung von Rohgewebe begann. Nach einigen Jahren verlegte Klinger sich auf die Herstellung von feineren Geweben wie Chaly, Batiste, Orleans, Mohäre, Kaschmire und Tibets. Die Rohware ließ er unter anderem von Firmen in Lörrach und Gera ausrüsten und aufbereiten. Die per Wiedereinfuhr zurückgekommene Ware verkaufte er an Wiener Wolldruckereien sowie an Betriebe in Kosmanos, Liebenau, Reichenberg, Böhmisch Aicha, Pribram und Prag. Um das Jahr 1844 beschäftigte Klinger 700 Hausweber, 1850 bereits 1 500. 1862 erbaute er in Neustadtl eine Weberei mit 500 Regulator- und Jacquard-Webstühlen. 1868 wurde der Betrieb erweitert; die ersten 50 mechanischen Webstühle wurden aufgestellt, 1869 weitere 100. Seinen älteren Brüdern, die er anfangs beschäftigt hatte, errichtete Klinger eine Weberei in Dittersbach.
Nach Klingers Tod übernahmen die Söhne Oskar, Franz Edmund und Ottomar die Leitung des Unter-nehmens. Die Herstellung von Kammgarn-Kleiderstoffen wurde aufgenommen. 1878 wurde eine Färberei erbaut, 1881 in Jungbunzlau eine mechanische Weberei gekauft und dort 1886 eine Spinnerei erbaut, schließlich 1888 in Prato (Italien) eine mechanische Weberei mit 1 000 Webstühlen errichtet. Vor dem 1. Weltkrieg hatte die Firma zuletzt 5 000 Beschäftigte, für die bemerkenswerte Sozial-leistungen erbracht wurden. Niederlassungen bestanden in Brünn, Budapest, Prag, Wien, Hamburg, Paris, Mailand, Neapel, Alexandrien, Konstantinopel und New York. Nach dem Ausscheiden von Klingers Söhnen wurden die Werke vom Sohn seines Bruders Oskar, gleichen Namens geleitet. Zwischen 1918 und 1931 wurden sie dann samt dem Firmennamen „Ignaz Klinger“ verkauft, unter dem sie bis 1945 bekannt blieben.
Die Villa, genannt "obere Villa" ließ Baron Ottomar Ignaz Klinger von Klingerstorf (*24. Dezember 1852 in Neustadtl – +01. Januar 1918 Kosmanos) für sich, seine Frau und die drei Kinder 1888 bis 1891 von dem Architekt Eduard Trossin im schlossartigen Barockstil erbauen. Die Villa wurde mit italienischem Einfluss und vielen italienischen Baumaterialien repräsentativ ausgestattet und ist in Nordböhmen einzigartig. Sie steht unter Denkmalschutz. Auf ca. 900 m² bebauter Grundfläche wurde die voll unterkellerte Villa mit zwei Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss mit über 2.700 m² Nutzfläche erstellt. Der Bauplatz liegt gegenüber der Tafelfichte an einem Südhang, aus dem eine Quelle mit besonders weichem Wasser die Villa speist.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann der langsame Verfall der einst prächtigen Villa. Es folgte eine wechselhafte Nutzung, zuletzt als Kindergarten. Dadurch und besonders durch über zehn Jahre Leerstand hatte die Villa in ihrer Substanz gelitten und der Verfall drohte.
Im Jahre 2001 wurde die Villa Klinger unter Vermittlung des Amtes für Denkmalschutz dem Krefelder Unternehmer und Inhaber der CiS-Gruppe, Peter M. Wöllner, verkauft. Sein Unternehmen produziert seit 1992 in Ludvíkov pod Smrkem und besitzt seit 1997 dort eine Tochtergesellschaft. Unter der Leitung der Architekten und Statiker Thomas und Karel Myslivec aus Liberec erfolgte die Sanierung.
Im September 2002 wurde im 1. Stock eine Manufaktur von Kabelgarnituren für Medizingeräte in Betrieb genommen. Weiterhin entstand ein 600 m² großes Lager mit weiteren Nebenräumen im Keller. Bis zum Jahresende zogen auch die Personal- und Finanzbuchhaltung von Lußdorf an der Tafelfichte in die Villa um. Im Dachgeschoss entstanden Wohnungen für den Betriebsleiter und den Geschäfts-führer sowie Gästezimmer.
In den Jahren 2003/04 wurde das Erdgeschoss saniert. Hier entstanden in Büros. Die Reparatur des Stucks im Spiegelsaal dauerte trotz Unterstützung der Fachschule für das Bauwesen über ein Jahr. Die Westfassade mit den Figuren an der Vorfahrt wurden restauriert und der eingestürzte Westturm originalgetreu wieder errichtet. Die Zufahrt und das Umfeld der Villa wurden gepflastert sowie der Park wiederhergestellt. Die Restauration des Vitragenfensters erfolgte durch Zdena Piverková aus Prag.
2005 wurde der Brunnen vor dem Portal gebaut und die Südfassade restauriert. Das Deckenfresko von Adolf Liebscher (1857–1919) wurde durch den Maler Jirí Látal aus Litomysl restauriert. 2006 begann die Restaurierung der Nord- und Ostfassade. Das Dach wurde neu mit Schiefer eingedeckt. 2007 wurde als letzter größerer Bauabschnitt die zerstörte Südterrasse rekonstruiert und die Vorfahrt bekam eine Balustrade.
Von 2008 bis 2010 wurde der alte Baumbestand gepflegt und kranke Bäume entfernt. 2010 wurde die Manufaktur von Kabelgarnituren in das neu erstandene Werk nach Hejnice verlagert und weitere administrative Arbeitspätze (Entwicklung, operativer Einkauf, Auftragsabwicklung, Personal- und Finanzbuchhaltung, IT) in der Villa geschaffen. 2011 fand eine Aufforstung und Gestaltung des Parks statt.(wikipedia.org)