Friedland, 9. Juli 1871 - Auch unserem Bezirke wurde die Ehre eines Besuches von Seite Sr. kais. Hoheit des Herrn Kronprinzen zu Teil. Gleich an der Grenze des Bezirkes in der Gemeinde Einsiedl wurde der hohe Gast auf das Herzlichste und Festlichste empfangen. Am Eingang des Ortes, der in vollem Festschmuck prangte, war eine Ehren-Pforte errichtet und an dieser die Geistlichkeit, die Gemeinde Vertretung, die Schuljugend, der Einsiedler Vetera-nenverein und eine zahlreiche Volks -menge aus Einsiedl und den benachbarten Ortschaften versammelt.
Seine kaiserliche Hoheit hielt hier eine kurze Weile an. Auch die nächstgelegenen, an der Hämmerichstrasse situirten Orte Buschullersdorf und Philippsgrund hatten alles aufgeboten, um dem Kronprinzen ihre Liebe und Anhänglichkeit würdig an den Tag zu legen. Auch nicht ein einziges Häuschen auf der ganzen Route dieser armen Gebirgsdörfer war ungeschmückt geblieben.
An der nördlichen Abdachung des Hämmerich-Berges empfingen Se. kais. Hoheit in den herrlichen Waldpartien Gruppen von jugendlichen Landbewohnern, welche von den vorspringenden malerischen Felsenpartien aus, unter Vivatrufen und Fahnenschwenken dem Kronprinzen Blumensträuße darbrachten. Einer der schönsten Momente der Reise im Friedländer Bezirk war der Empfang in der Gemeinde Raspenau. Die Ortschaft hatte sich in den schönsten Festschmuck geworfen; massenweise waren die schwarzgelben und weiβroten Fahnen an den Häusern und hohen Bäumen, überdieß an der Strasse eine bedeutende Zahl von beflaggten Masten angebracht. Besonders vorteilhaft sprang eine am südlichen Ende des Ortes angebrachte höchst geschmackvolle Ehrenpforte, ein Werk des Industriellen Herrn Richter und der Raspenauer Veteranen in die Augen. An diesem Punkte wurde Se. kais. Hoheit von der Gemeindevertretung, der Schuljugend, dem Raspenauer, Heindorfer, Rückersdorfer, Bullendorfer und Heinersdorfer Veteranenvereine ehrfurchtsvoll empfangen und von den versammelten Körperschaften, dann einer unübersehbaren Menschenmenge aus den Gemeinden des Wittigthales stürmisch begrüßt. Auch an dieser Stelle ließ der Kronprinz einige Augenblicke anhalten. Die weitere Strassenstrecke zwischen Raspenau und dem Friedländer Schlosse war gleichfalls ungemein belebt. An den Seiten des Strassenzuges hatten die Weigsdorfer Bergleute mit ihrer Musikkapelle, die Siegmund'sche und Priebsch'sche Fabriks-feuerwehr, der Dittersbacher Veteranenverein, die Friedländer städtische Feuerwehr, das Neustädtler Schützenkorps, der Gesangsverein, das Schützenkorps und der Veteranenverein von Friedland, die meisten dieser Vereine von Musikkapellen begleitet, endlich unmittelbar vor dem Friedländer Schlosse die Friedländer Schuljugend Stellung genommen. Se. kais. Hoheit besichtigte die aufgestellten Körperschaf-ten und richteie an die Vorstände derselben huldvolle Worte.
Im Friedländer Schloss empfingen den Kronprinzen der k. k. Bezirks-Hauptmann mit dem Friedländer Bürgermeister, die Geistlichkeit, die k. k. Offiziere und Beamten, die Beamten des Grafen Clam-Gallas, die Mitglieder der Bezirksvertretung und die Gemeindevorsteher. Nach-dem Se. kais. Hoheit einzelne Persönlichkeiten in leutseliger Weise mit einer Ansprache beehrt und sich über die mannigfaltigsten Verhältnisse des Bezirkes erkundigt hatte, zog sich der Kronprinz in die Appartements zurück. Auf einer zu Ehren Sr. kais. Hoheit veranstalteten Jagd bewährte sich der Kronprinz als gewandter Schütze, indem er einen prächtigen Hirschen schoß.
Abends wurde noch das historisch merkwürdige Schloß Friedland und die daselbst befindlichen wertvollen Sammlungen besichtigt und hierauf unter lebhaften Hochrufen der Bevölkerung die Rückreise nach Reichenberg angetreten.
Prager Abendblatt, 11. Juli 1871