Eine neue Gallerie entsteht in dem alten Bad
Die Idee, ein Volksbad zu bauen, wurde am Ende des 18. Jahrhundert, zur Zeit des größten Aufschwungs, in der Reichenberger Sparkasse geboren. Das Bad wurde von dem Geldinstitut zur Erinnerung an das 50- jährige Regierungsjubiläum seiner Majestät Kaiser Franz Josef erbaut. Mitfinanziert haben es auch die Geschäftsleute und Fabrikanten der Umgebung. Bei einem öffentlichen Architektenwettbewerb wurde am 17 Oktober 1899 das Projekt des Wiener Architekten Peter Paul Brang ausgewählt und bekannt gegeben. Mit dem Bau wurde der Reichenberger Baumeister Adolf Bürger beauftragt. Am 26. März 1900 wurde mit dem Bau des Jahrhundertwende-Bades begonnen. Am 17. März 1902 markierte die Eröffnung des Stadtbades nach zweijähriger Bauzeit einen Meilenstein in der Entwicklung der Stadt Reichenberg. Die Installationsarbeiten wurden von Christian Linser durchgeführt, Beleuchtung lieferte die Firma Daniel Kind, Kessel und Dampfmaschinen lieferte die Firma Ringhoffer aus Prag. Die Hauptfassade des Bades und sämtliche Verzierungen und Skulpturen und die Innenausstattung waren das Werk von den Professoren der Reichenberger Gewerbeschule Ferdinand Kraske und Emanuel Gerhart, der auch das Veteranendenkmal und das Liebigdenkmal in Reichenberg entworfen hat.
Das Volksbad besteht aus einem zweigeschossigen Gebäude und einem einstöckigen Kesselraum. Die Fassade wurde im altdeutschen Neorenaissance-Stil gestaltet. Im Innenraum ist der Übergang zum Jugendstil sichtbar. Im Inneren befindet sich nicht nur ein Schwimmbad 10 x 20 m, sondern auch ein irisch-römisches Bad, Wannen- und Brausebäder sowie ein Ruheraum und ein kleines Wasserbecken mit kaltem Wasser. Eine breite, weiße Marmortreppe führte die Besucher zu den Wannenbädern 1. und 2. Klasse in der ersten Etage. Für ein Bad in der Badewanne 1. Klasse bezahlte man damals 2 österreichische Kronen. In der 3. Klasse, im Untergeschoss, hat man 50 Heller bezahlt, genau so viel wie für das Schwimmen im Schwimmbad. Bestandteil des Bades ist auch ein Schornstein, einer der wenigen, der noch im Zentrum der Stadt zu finden ist. Auch er steht unter Denkmalschutz. Einzigartig ist die Dachkonstruktion aus Stahl mit dem beeindruckenden Glasdach, das sich bei wärmeren Temperaturen in den Sommermonaten bis zur Hälfte öffnen lässt. Bei dem Eingang wurden die Badegäste von den Statuen des griechischen Gottes Poseidon und seiner Frau Amfitrite begrüßt. An den Wänden im Innenraum waren verschiedene Fotos, die den damaligen Zustand vermittelten. Das Gebäude, in bevorzugter Lage, inmitten der Stadt, war von innen und auβen eine Sehenswürdigkeit. Die Stadt Reichenberg wurde damit um ein monumentales Kunstwerk, um einen Hauptanziehungspunkt reicher. Das Kaiser Franz Josef Bad und das fast gleichzeitig gebaute Gewerbemuseum, sowie die Handelskammer - heute Kinderklinik - gehören zu den Kostbarkeiten der Architektur in Reichenberg.
Der Text auf der Stiftungstafel:
1900-1902, Kaiser Franz Joseph Bad
Zur Erinnerung an das 50- jährige Regierungsjubiläum seiner Majestät Franz Joseph, erbaut von der Reichenberger Sparcasse unter dem Director Kaiserl. Rath Theodor Thum. Nach den Plänen des Wiener Architecten Peter Paul Brang ausgeführt von dem Reichenberger Baumeister Adolf Bürger.
Dann folgt die Aufzählung der Mitglieder der "Direction" der "Sparcasse" und der Mitglieder des Bauausschusses.
Nach dem Jahre 1945 wurde das Bad verstaatlicht. Ohne wesentliche Störungen diente es bis Mitte der fünfziger Jahre. In den Jahren 1954 bis 1968 wurden einige größere Reparaturen durchgeführt. Mit der Zunahme der Zahl der Bäder in Privatwohnungen verlor der ursprüngliche Zweck des Bades im Laufe der Zeit jedoch zunehmend an Bedeutung. Nach 1990 kam die Privatisierung und das Bad wurde von der Reichenberger Sparkasse an einen privat Eigentümer verkauft. Seitdem hat es mehrfach den Besitzer gewechselt. Keiner investierte -es ging Berg ab…und das merkte man leider an jeder Ecke. Der desolate Zustand war durch die lange Nutzung und mangelnde Pflege in den letzten Jahren deutlich geworden. Alles wertvolle, dass sich abschneiden oder abschrauben ließ, wurde entfernt und ist verschwunden. Hier galt nicht der Satz "Eigentum verpflichtet" sondern vielmehr "Eigentum vernichtet". Innen türmten sich Sperrmüll und Unrat. Es roch nach Feuchtigkeit und Schimmel. Die Stadt bemühte sich seit Jahren, diesen Schandfleck zu beseitigen. Erst im Oktober 2005 gelang es ihr, das jahrelang verwahrloste und äußerst vernachlässigte Gebäude für 9 Millionen Kronen zu ersteigern. Nach einer Reihe von privaten Eigentümern gehört jetzt das Bad der Stadt Reichenberg. Kaum jemand vermochte zu glauben, daβ das Gebäude die 110 Jahre Nutzung überhaupt überstanden hatte. In der ersten Phase der Restaurierung war das wichtigste Ziel, das Objekt vor einem weiteren Zerfall zu sichern. Durch Beschädigungen am Dach entstanden auch erhebliche Mauerwerksschäden. Gleich nach der Rückgabe wurde das Areal schrittweise wiederaufgebaut und vor weiteren Schäden geschützt. Dafür wurden seit 2005 fast 27,5 Millionen Kronen investiert.
Das erste, von der Stadt vorgeschlagene Projekt, sollte dem ursprünglichen Zweck dienen. Es wurde erneut die Nutzung als Badeanstalt gefordert. Anbieten wollte man auserdem Massage- und Wellnessanwendungen. Vorgesehen waren auch Abteilungen fur Physiotherapie. Für die Sanierung wurden 470 Millionen Kronen eingeplant. Die Stadt konnte diese Summe aber nicht finanzieren und man versuchte Subventionen aus dem „Norwegischen Fond“ zu bekommen. Dies blieb erfolglos. Die Förderung wurde nicht erteilt. Nach dem gescheiterten Versuch beschloss die Stadt das Gebäude zu verkaufen.
Zwei Jahre später, im Januar 2008 wurde bekannt, dass die Wohnungsbaugesellschaft Beit Amzaleg aus Tel Aviv Interesse hat, das Gebäude zu übernehmen. Noch im selben Monat wurden Verhand-lungen mit Vertretern der Baugesellschaft aus Israel abgehalten. Bei den Gesprächen wurde über ein Wellneszentrum, Sauna mit Massage und ein Fittnesszentrum gesprochen. Auch ein Luxushotel und eine private Klinik für plastische Chirurgie sollte gebaut werden. Doch auch dieses Geschäft kam nicht zustande. Ende März 2009 wurden die Verhandlungen abgebrochen. Man habe sich nicht einigen können.
In den folgenden Monaten gab es noch die letzten Verhandlungen über Fragen des Denkmalschut- zes und der Umbaupläne. Eine Arbeitsgruppe wurde gegründet. Neben den Beamten, Architekten, Denkmalpflegern waren auch die Vertreter der Stadt anwesend. Ihre Aufgabe war es, eine geeignete Verwendung für das Gebäude zu finden. Das andere, noch größere Problem war das Geld. Die Rettung kam aus der EU. Die traurige Geschichte hatte ein glückliches Ende gefunden. Das Gebäude wird zum Hauptsitz der regionalen Reichenberger Galerie umgebaut. Dieses Projekt wird mit großzügiger Unterstützung der Europäischen Union mit einer Summe von 325,5 Millionen Kronen finanziert. Die EU zahlt 85 Prozent, 7,5 Prozent kommen vom Tschechischen Staat und 7,5 Prozent zahlt die Stadt Reichenberg. Am 1. August 2011 wurde mit einer Komplettsanierung und dem Umbau begonnen. Außer Ausstellungsräumen sollen nach dem Umbau weitere Räume entstehen, in denen ein Café, Buchhandlung, eine Kinderecke oder ein Atelier entstehen soll. In der Galerie sollen in der Zukunft auch regelmäßig Ausstellungen, Vorträge und musikalische Darbietungen stattfinden. Bis diese Einrichtung fertig gestellt ist, sind noch umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich.
Wenn alles nach Plan läuft, dann wird das neue Gebäude bis Mitte 2013 fertig gestellt sein. Die neu errichtete Galerie wird aber wahrscheinlich erst 2014 ihre Pforten öffnen.
Text und Foto: Stanislav Beran