Die Toten zerfallen erst zu Staub, wenn sie in Vergessenheit geraten
Am Samstag, dem 27. Juni 2015 fanden viele Besucher den einsamen Weg zum Friedländer Friedhof. Mehr als 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen während des Abends zu der von der Lehrerin Lucie Zralá und den Schülern der örtlichen Grundschule organisierten Führung über den alten deutschen Friedhof. Etliche Teilnehmer mussten mit einem Stehplatz zufrieden sein. Dicht gedrängt saßen und standen sie in der Ausseg-nungshalle zusammen und hörten den Vorträgen auf das Thema „Der deutsche Friedhof und seine Vergangenheit" aufmerksam zu. Im Vordergrund stand das Thema: Die Rettung der Gruften der Familie Dressler und Gastring und die damit verbundene Finanzierung. Ab 18 Uhr bis in die späten Abendstunden wurde ein vielseitiges Programm geboten.
Mit der Begrüßung und den einleitenden Worten des Vertreters des Bürgermeisters Jiří Stodůlka begann das Abendprogramm. Nach der Begrüßung sprach Lucie Zralá zu den Gästen. In chronologischer Reihenfolge beschrieb sie die Forschungsarbeit der Schüler, die jede Gruft digital erfasst haben. Da das Schicksal der deutschen Vertriebenen und der Verlust ihrer Heimat lange Zeit aus dem allgemeinen Bewusstsein weitgehend verdrängt wurden, sprach sie auch das Vergessen an.
Im Anschluss fand dann, unter der Leitung der Lehrerin und der Schüler, die Abendführung durch den Friedhof statt, die gar nicht so gruselig war. Dabei berichteten die Schüler aus dem Leben der hier begrabenen Persönlichkeiten. Nach dem Rundgang, zu dem der Wettergott leider kein Einsehen hatte, lud duftender Kaffee, kalte Getränke und leckere Süßigkeiten zum Verweilen ein. Die Bewirtung hatten die Schüler übernommen. Ein weiterer Programmpunkt des Abends war ein Vortrag des Historikers PhDr. Milan Svoboda von der Universität Reichenberg. Er ging auf die Bedeutung dieses Tages ein und beschrieb die Entwicklung des Friedhofs von der Gründung im Jahr 1878 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und wies auch auf den katastrophalen Zustand der Gräber und Grüften hin.
„Mit dieser Aktion wollen wir auf den trostlosen Zustand der Grüfte der Familie Gastring und Dressler aufmerksam machen. Es ist eine Schande für den Friedhof und die Stadt", sagte Historiker Milan Svoboda.
Immer wieder stößt man auf teilweise oder auch gänzlich verfallene Gräber und Familiengruften mit rostigen Eisengittern. Zerstörte Grabplatten und verblichene Inschriften bezeugen die jahrelange Verwilderung dieses Friedhofteils. Ob sich da was in naher Zukunft ändern wird und wie es weitergeht, das steht noch in den Sternen. Es ist noch keine Entscheidung getroffen. Ein „zukünftiger Wissenschaftler“, der sich ebenfalls diesem Thema widmete, war Jan Rucz. Der Student von PhDr. Milan Svoboda referierte über das Thema: „Die Gruft der Familie Dressler und der Familie Gastring aus der Sicht des Architekten“.
Bei Dunkelheit wurden dann von den Schülern auf den Grüften Kerzen angezündet und Blumen aufgestellt. Die Lichter rings um den Friedhof stimmten die Besucher zu einem fröhlichen Abend ein und vermittelten eine besondere Stimmung. Alle waren von der Aktion beeindruckt. Die anwesenden Gäste haben einen interessanten und informativen Einblick in die Geschichte der Stadt erhalten. Die Lehrerin und die Schüler, die einen besonderen Applaus erhielten, freuten sich über die gute Atmosphäre und das große Interesse. Insgesamt war es eine ansprechende Aktion, deren Besuch sich gelohnt hat.
Stanislav Beran