Dr. Ernst Raim (1926 - 2015) ist im Alter von 89 Jahren verstorben.
Am 1. Dezember 2015 ist in Bayern der böhmische Sozialdemokrat Ernst Raim gestorben. Raim wurde in eine Friedländer sozialdemokratische Familie ge- boren und wuchs in einer Zeit auf, in der der Nationalsozialismus bereits seine Finger nach den deutschsprachigen Gebieten der Tschechoslowakei ausstreckte.
Als bekennende Gegner des Nationalsozialismus blieb der Familie Raim nach dem Münchener Abkommen nur die Flucht ins Landesinnere. Nach der Entstehung des Protektorats 1939 kehrte die Familie nach Friedland zurück, wo die Eltern ständigen Repressionen ausgesetzt waren und letztlich verhaftet und verschleppt wurden. Gebrochen erlebten sie das Kriegsende. 1946 kam Ernst Raim nach Bayern, wo er später eine Familie gründete und als Lehrer arbeitete. Er engagierte sich in der Seliger-Gemeinde und war immer wieder bereit, aus seinen schweren Jugendjahren zu berichten, etwa vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Collegium Bohemicum an tschechischen Schulen – in brillantem Tschechisch. Mit Ernst Raim ist ein großer Sozialdemokrat Böhmens von uns gegangen. Ein Mensch, der seinen Überzeugungen in allen Lebenslagen treu geblieben ist. Sein Wirken, sein freundliches Wesen bleiben unvergessen. Thomas Oellermann
Anfang März hätte Dr. Ernst Raim seinen 90. Geburtstag feiern können, am 1. Dezember ist er nun im Alter von 89 Jahren in Landsberg verstorben. Die Urnenbeisetzung hat bereits im engsten Familienkreis stattgefunden.
Sein Markenzeichen war die Fliege, so kannten ihn viele Landsberger, wenn der streitbare Sozialdemokrat Ernst Raim bei Empfängen, Veranstaltungen und vielen offiziellen Terminen zugegen war. Er trug sie aber auch stets an der damaligen Oberrealschule, wo er als Lehrer seine Schüler in dem Fach Sozial- kunde nachhaltig demokratische und sozialdemokratische Werte vermittelte.
Eine seiner damaligen Schützlinge war Sirid Knollmüller, selbst langjährige Stadträtin, ehemalige Kultur-bürgermeisterin und heute noch in vielen Organi- sationen und Vereinen fest verwurzelt wie zum Beispiel als Vorsitzende des Historischen Vereins, in dem auch Ernst Raim Mitglied war. Sigrid Knollmüller erinnert sich: „Vor allem, wenn er einen spannenden Sachverhalt erklärte, hoch konzentriert oder von etwas begeistert war, dann zog er sich immer das Gummiband der Fliege hoch zur Nase.“
Es sind aber nicht nur solch nette Eigenheiten, die ihre Erinnerung an den Verstorbenen wachhalten, der wie sie selbst auch Stadtrat war und dem Gremium von 1960 bis 1978 angehörte. Sein großes Verdienst, so Knollmüller, ist der Umgang mit der Bewältigung der Landsberger Vergan-genheit vor allem im 20. Jahrhundert. Das SPD-Mitglied Dr. Ernst Raim setzte sich intensiv und vehement damit auseinander, nicht zuletzt auch deswegen, weil seine Familie im Dritten Reich der Verfolgung durch die National-sozialisten ausgesetzt war. „Es ist ihm zu einem großen Teil zu verdanken, dass die Gedenkarbeit in Landsberg heute so intensiv betrieben wird.“
Oberbürgermeister Mathias Neuner würdigte die Arbeit des Stadtrats Ernst Raim, der sich zum Wohle der Stadt „tatkräftig für den Wohnungsbau, im Finanzausschuss aber auch im Werk- ausschuss der städtischen Werke eingebracht hat.“ Darüber hinaus sei seine umfangreiche Referen- tentätigkeit für Wohnungsbau und Wirtschaftsförde-rung, Haushalts- und Finanzwesen sowie für Volksschulen und höhere Schulen besonders hervorzuheben.
Bis zuletzt war Dr. Ernst Raim – der auch von 1984 bis 2002 für die Arbeiter-wohlfahrt, deren Kreisvorsitzender er von 1978 bis 2002 war, im Sozialhilfeausschuss des Kreistages (1984 bis 2002) saß – eines von drei Ehrenmitgliedern im Bund Widerstand und Verfolgung Bayern. Erst 2014 war er noch einmal für zwei Jahre als Beisitzer in den Vorstand der Vereinigung gewählt worden, in der sich Menschen versammeln, die entweder selbst Verfolgte oder Widerstandskämpfer einer oder beider Diktaturen in Deutschland von 1933 bis 1989 sind und sich auch gegen den aktuellen Extremismus engagieren.
Landsberger Tagblatt - Dieter
Schöndorfer